Steuerberaterin Margit Schunke

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2. Juni 2023
von MargitSchunke
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Arbeitszimmer und Homeoffice-Pauschale

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Für alle Steuerpflichtigen

(Häusliches) Arbeitszimmer und Homeoffice-Pauschale: Neue Spielregeln beim steuerlichen Abzug der Aufwendungen

| Beim (häuslichen) Arbeitszimmer stellt sich oft die Frage, ob die Aufwendungen voll abziehbar sind, nur zum Teil oder gar nicht. Mit Wirkung ab 2023 wurde der Abzug durch das Jahressteuergesetz 2022 neu geregelt und zumindest teilweise vereinfacht. Zudem wurde die bislang befristet geltende Homeoffice-Pauschale dauerhaft im Einkommensteuergesetz verankert. Grund genug, das Arbeitszimmer aus steuerlicher Sicht näher zu betrachten. |

1. Arbeitszimmer: Abzug der Kosten bis 2022

Bei den Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer ist wie folgt zu unterscheiden:

  • Die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer sind grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig.
  • Stellt das Arbeitszimmer jedoch den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung dar, besteht keine Abzugsbeschränkung.
  • Bildet das Arbeitszimmer zwar nicht den Mittelpunkt der Betätigung, steht aber für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, sind nachgewiesene Kosten bis zu 1.250 EUR abziehbar (keine Pauschale).

Beachten Sie | Die folgenden Ausführungen (Gliederungspunkt 2. bis 6.) basieren im Wesentlichen auf einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF-Schreiben vom 6.10.2017, Az. IV C 6 – S 2145/07/10002: 019). Sie sind auch für die neue Rechtslage ab 2023 relevant.

2. Aufwendungen

Zu den Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer zählen insbesondere die Kosten für die Ausstattung des Zimmers (z. B. Tapeten, Teppiche, Fenstervorhänge, Gardinen und Lampen). Anteilig zu berücksichtigen sind u. a.:

  • Miete (bzw. Abschreibungen für das Gebäude, wenn es sich im Eigentum des Steuerpflichtigen befindet),
  • Schuldzinsen für Kredite, die zur Anschaffung, Herstellung oder Reparatur des Gebäudes oder der Eigentumswohnung verwendet worden sind,
  • Wasser- und Energiekosten,
  • Reinigungskosten,
  • Grundsteuer, Müllabfuhrgebühren, Schornsteinfegergebühren, Gebäudeversicherungen,
  • Renovierungskosten.

PRAXISTIPP | Die als Arbeitsmittel zu qualifizierenden Gegenstände (z. B. Computer, Aktenschränke, Regale) sind von den Abzugsbeschränkungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht betroffen. Hier sind mitunter aber die Regelungen zu geringwertigen Wirtschaftsgütern (GWG) zu beachten, wonach die Anschaffungskosten ggf. abzuschreiben sind. Bei Anschaffungskosten bis zu 800 EUR (netto) erfolgt jedoch ein sofortiger Abzug.

3. Mittelpunktfälle

Bei der Frage, ob das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet, ist der inhaltliche (qualitative) Schwerpunkt der Betätigung des Steuerpflichtigen entscheidend. Der zeitliche (quantitative) Umfang der Nutzung hat nur eine indizielle Bedeutung.

Geht der Steuerpflichtige nur einer betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit nach, die in qualitativer Hinsicht gleichwertig sowohl im häuslichen Arbeitszimmer als auch am außerhäuslichen Arbeitsort erbracht wird, liegt der Mittelpunkt der gesamten Betätigung dann im häuslichen Arbeitszimmer, wenn der Steuerpflichtige mehr als die Hälfte der Arbeitszeit im häuslichen Arbeitszimmer tätig wird.

Übt ein Steuerpflichtiger hingegen mehrere Tätigkeiten nebeneinander aus, ist nicht auf eine Einzelbetrachtung der jeweiligen Betätigung abzustellen. Vielmehr sind alle Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit zu erfassen.

Beispiele

Bei einem Verkaufsleiter, der zur Überwachung von Mitarbeitern und zur Betreuung von Großkunden auch im Außendienst tätig ist, kann das häusliche Arbeitszimmer Tätigkeitsmittelpunkt sein, wenn er dort die für den Beruf wesentlichen Leistungen (z. B. Organisation der Betriebsabläufe) erbringt (BFH 13.11.2002, Az. VI R 104/01).

Bei einem Ingenieur, dessen Tätigkeit durch die Erarbeitung theoretischer, komplexer Problemlösungen im häuslichen Arbeitszimmer geprägt ist, kann dieses auch dann der Mittelpunkt der beruflichen Betätigung sein, wenn die Betreuung von Kunden im Außendienst ebenfalls zu seinen Aufgaben gehört (BFH 13.11.2002, Az. VI R 28/02).

Demgegenüber liegt der Tätigkeitsschwerpunkt bei einem Handelsvertreter außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers, wenn die Tätigkeit nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durch die Arbeit im Außendienst geprägt ist, auch wenn die zu Hause verrichteten Tätigkeiten zur Erfüllung der beruflichen Aufgaben unerlässlich sind (BFH 13.11.2002, Az. VI R 82/01).

Bei einer Ärztin, die Gutachten über die Einstufung der Pflegebedürftigkeit erstellt und dazu ihre Patienten ausschließlich außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers untersucht und dort (vor Ort) alle erforderlichen Befunde erhebt, liegt der qualitative Schwerpunkt nicht im häuslichen Arbeitszimmer, in welchem lediglich die Tätigkeit begleitende Aufgaben erledigt werden (BFH 23.1.2003, Az. IV R 71/00).

4. Anderer Arbeitsplatz

Ein anderer Arbeitsplatz i. S. der Vorschrift ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Weitere Anforderungen an die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes werden nicht gestellt. Somit sind die konkreten Arbeitsbedingungen und Umstände (z. B. Lärmbelästigung oder Publikumsverkehr) grundsätzlich unbeachtlich.

Beachten Sie | Ein eigener, räumlich abgeschlossener Arbeitsbereich ist nicht erforderlich.

Beispiele

Ein Poolarbeitsplatz ist nur ein anderer Arbeitsplatz, wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann (BFH 26.2.2014, Az. VI R 37/13). Eine jederzeitige Zugriffsmöglichkeit ist zwar nicht erforderlich, es muss aber gewährleistet sein, dass der Arbeitnehmer seine beruflichen Tätigkeiten in dem konkret erforderlichen Umfang dort erledigen kann.

Ein Lehrer hat für seine Unterrichtsvorbereitung in der Schule keinen Schreibtisch. Das jeweilige Klassenzimmer oder das Lehrerzimmer stellt keinen Arbeitsplatz im Sinne der Abzugsbeschränkung dar.

Ein Orchestermusiker hat im Konzertsaal keine Möglichkeit zu üben. Hierfür hat er sich ein häusliches Arbeitszimmer eingerichtet (= kein anderer Arbeitsplatz vorhanden).

Es liegt auch kein anderer Arbeitsplatz vor, wenn ein angestellter Krankenhausarzt eine freiberufliche Gutachtertätigkeit ausübt und ihm im Krankenhaus dafür kein Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

Es steht kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, wenn dieser wegen Gesundheitsgefahr nicht nutzbar ist (BFH 26.2.2014, Az. VI R 11/12).

5. Außerhäusliches Arbeitszimmer

Liegt ein außerhäusliches Arbeitszimmer oder eine (häusliche) Betriebsstätte vor, sind die Kosten in voller Höhe abzugsfähig. Auf den Tätigkeitsmittelpunkt oder einen weiteren Arbeitsplatz kommt es somit nicht an. Hier ist wie folgt abzugrenzen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist das häusliche Arbeitszimmer ein Raum, der in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient (so z. B. BFH 26.3.2009, Az. VI R 15/07). Der Nutzung entsprechend ist das häusliche Arbeitszimmer typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück darstellt.

Beachten Sie | In die häusliche Sphäre eingebunden ist ein als Arbeitszimmer genutzter Raum regelmäßig dann, wenn er zur privaten Wohnung oder zum Wohnhaus des Steuerpflichtigen gehört. Dies betrifft nicht nur die Wohnräume, sondern ebenso Zubehörräume.

MERKE | Nicht unter die Abzugsbeschränkung für ein häusliches Arbeitszimmer fallen Räume, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen (beispielsweise Betriebsräume, Lagerräume, Ausstellungsräume), selbst wenn diese ihrer Lage nach mit dem Wohnraum des Steuerpflichtigen verbunden und so in dessen häusliche Sphäre eingebunden sind (vgl. z. B. BFH 26.3.2009, Az. VI R 15/07).

6. Nur teilweise beruflich genutzt

Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer wirken sich nur dann steuermindernd aus, wenn die Räume nahezu ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke genutzt werden (BFH 27.7.2015, GrS 1/14).

MERKE | Aufwendungen für Räume, die z. B. zu 60 % beruflich und zu 40 % privat genutzt werden, sind steuerlich nicht abziehbar. Auch Aufwendungen für eine „Arbeitsecke“ sind nicht abzugsfähig, da diese Räume schon ihrer Art und ihrer Einrichtung nach auch privaten Wohnzwecken dienen.

7. Homeoffice-Pauschale: Rechtslage bis 2022

Im Zuge der Corona-Pandemie wurde befristet für die Jahre 2020 bis 2022 durch § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) eine Homeoffice-Pauschale eingeführt. Diese gilt für Unternehmer und Arbeitnehmer.

Für die Veranlagungszeiträume 2020 bis 2022 kann für jeden Tag, an dem der Steuerpflichtige ausschließlich zu Hause betrieblich oder beruflich tätig wird, ein pauschaler Betrag von 5 EUR (maximal 600 EUR im Jahr) abgezogen werden (entspricht jährlich 120 Tagen). Fahrtkosten können für diese Tage (mangels durchgeführter Fahrten) nicht geltend gemacht werden.

Beachten Sie | Die Pauschale kann sowohl angewendet werden, wenn

  • die Voraussetzungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht vorliegen (z. B. Tätigkeit am Küchentisch),
  • als auch, wenn die Voraussetzungen vorliegen und der Steuerpflichtige auf die Einzelermittlung der Aufwendungen verzichten will.

PRAXISTIPP | Auch hier können neben der Pauschale Aufwendungen für Arbeitsmittel nach den allgemeinen Regelungen und Grundsätzen als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abgesetzt werden. Auch Telefon- und Internetkosten sind durch die Homeoffice-Pauschale nicht abgegolten (vgl. BMF-Schreiben vom 9.7.2021, Az. IV C 6 – S 2145/19/10006 :013).

8. Rechtslage ab 2023

Durch das Jahressteuergesetz 2022 wurde der Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer mit Wirkung ab 2023 neu geregelt. Auch bei der Homeoffice-Pauschale haben sich Änderungen ergeben.

Zunächst zur Homeoffice-Pauschale: Diese wurde von 5 auf 6 EUR pro Tag erhöht. Zudem wurde der Höchstbetrag von 600 auf 1.260 EUR angehoben (also maximal 210 Tage im Jahr).

MERKE | Die Homeoffice-Pauschale ist für jeden Kalendertag abzugsfähig, an dem die betriebliche oder berufliche Tätigkeit überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene erste Tätigkeitsstätte aufgesucht wird. Steht für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, ist ein Abzug der Homeoffice-Pauschale zulässig, auch wenn die Tätigkeit am selben Kalendertag auswärts oder an der ersten Tätigkeitsstätte ausgeübt wird.

Nun zum häuslichen Arbeitszimmer: Soweit der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung im häuslichen Arbeitszimmer liegt, bleiben die Aufwendungen in voller Höhe abziehbar. Anstelle des Abzugs der tatsächlichen Aufwendungen ist aber ein pauschaler Abzug in Höhe von 1.260 EUR möglich (Wahlrecht).

Bei dieser Jahrespauschale (Kürzung um 1/12 für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nicht vorliegen) handelt es sich um einen personenbezogenen Betrag, weil er sich am Höchstbetrag der Homeoffice-Pauschale (ab 2023: 1.260 EUR) orientiert.

MERKE | Liegt der Mittelpunkt der Betätigung nicht im häuslichen Arbeitszimmer, steht den Steuerpflichtigen aber kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, kann nur noch die Homeoffice-Pauschale abgezogen werden. Der auf 1.250 EUR gedeckelte Abzug von Aufwendungen ist ab 2023 nicht mehr möglich.

Liegen die Voraussetzungen für den Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht im gesamten Kalenderjahr vor und wird die Jahrespauschale gekürzt („1/12“; vgl. oben), kann für diesen Kürzungszeitraum die Homeoffice-Pauschale zu gewähren sein.

Die dargestellten Neuregelungen werden nun anhand von Beispielen veranschaulicht:

Unbegrenzter Abzug (Mittelpunktfälle)

EF und EM (Ehepaar) betreiben ein Online-Unternehmen ausschließlich im gemeinsamen häuslichen Arbeitszimmer.

Um die darauf entfallenden Kosten steuerlich abzusetzen, haben sie bisher einmal pro Jahr die Gesamtkosten des Hauses zusammengestellt (Abschreibung, Schuldzinsen, Energiekosten, Versicherungen etc.) und den auf das Arbeitszimmer entfallenden Anteil ermittelt. Das waren ca. 1.500 EUR, wovon EF und EM jeweils die Hälfte (750 EUR) angesetzt haben.

Lösung: EF und EM haben ab 2023 folgende Möglichkeiten:

  • Sie können die anteiligen Aufwendungen (wie bisher) im Einzelnen ermitteln und den jeweiligen Anteil absetzen.
  • Allerdings können sie sich auch dafür entscheiden, die Jahrespauschale von jeweils 1.260 EUR in Anspruch zu nehmen. Das sollten die Ehegatten insbesondere dann tun, wenn die individuellen tatsächlichen Aufwendungen (wie hier) nicht mehr als 1.260 EUR betragen.

 

Begrenzter Abzug (kein anderer Arbeitsplatz)

Lehrerin L hat den Mittelpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit in einer Gesamtschule. Dort steht ihr aber kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung.

Ihren Unterricht bereitet sie daher in einem häuslichen Arbeitszimmer vor und nach. Um die darauf entfallenden Kosten abzusetzen, hat L bisher einmal pro Jahr die Gesamtkosten des Hauses zusammengestellt und den auf das Arbeitszimmer entfallenden Anteil ermittelt. Das waren jährlich rund 1.500 EUR.

Lösung: Bisher konnte L die tatsächlichen Aufwendungen gedeckelt auf den Höchstbetrag von 1.250 EUR steuerlich absetzen. Ab 2023 gibt es diese Abzugsmöglichkeit nicht mehr. L kann die Aufwendungen für die Arbeiten im Arbeitszimmer nun durch die Homeoffice-Pauschale geltend machen (maximal 1.260 EUR jährlich).

 

Homeoffice mit Auswärtstätigkeit

Arbeitnehmer AN ist an einem Tag am Vormittag für fünf Stunden im Homeoffice tätig. Am Nachmittag fährt er für drei Stunden zu einem Kunden (Auswärtstätigkeit).

Lösung: Bisher konnte AN nur die Kosten der Auswärtstätigkeit absetzen. Ab dem Jahr 2023 kann er zusätzlich die Pauschale von 6 EUR geltend machen, da er seine Tätigkeit an diesem Tag überwiegend im Homeoffice erbracht hat. Wären die zeitlichen Komponenten umgekehrt (drei Stunden Homeoffice und fünf Stunden Außendienst), könnte AN nur die Kosten der Auswärtstätigkeit und nicht die Homeoffice-Pauschale absetzen.

 

Homeoffice mit Fahrt zur ersten Tätigkeitsstätte

Arbeitnehmer AN ist an einem Tag am Vormittag für fünf Stunden im Homeoffice tätig. Am Nachmittag fährt er dann für drei Stunden zu seiner ersten Tätigkeitsstätte bei seinem Arbeitgeber.

Lösung: AN kann lediglich die Entfernungspauschale für die Fahrt zur ersten Tätigkeitsstätte absetzen. Die Homeoffice-Pauschale ist nicht zu berücksichtigen.

Wie bereits ausgeführt, gibt es in den Fällen „kein anderer Arbeitsplatz“ ab dem Jahr 2023 nur noch die Möglichkeit, die Homeoffice-Pauschale anzusetzen. Um einen Ersatz zu schaffen, wurde eine Sonderregelung eingeführt (vgl. die Ausführungen im ersten MERKE-Kasten unter dem Gliederungspunkt 8).

Fortführung zu: Begrenzter Abzug (kein anderer Arbeitsplatz)

L hat ermittelt, dass sie im Jahr 2023 an 180 Tagen in der Schule Unterricht geleistet hat. An den 180 Nachmittagen hat sie dann den Unterricht im Arbeitszimmer nach- bzw. für den folgenden Tag vorbereitet. An 40 Tagen hat sie ausschließlich im Arbeitszimmer gearbeitet.

Lösung: Ohne die Sonderregelung könnte L die Homeoffice-Pauschale nur für 40 Tage beanspruchen (40 Tage × 6 EUR = 240 EUR). An den weiteren 180 Tagen würde ein Abzug ausscheiden, da sie ihre erste Tätigkeitsstätte aufgesucht hat. Für diese Tage könnte sie jedoch die Entfernungspauschale ansetzen.

Aufgrund der Sonderregelung werden jedoch auch diese 180 Tage für die Homeoffice-Pauschale berücksichtigt, sodass L die Pauschale für insgesamt 220 Tage nutzen kann. Das sind dann 1.320 EUR (220 Tage × 6 EUR); jedoch greift die Deckelung auf den Höchstbetrag von 1.260 EUR. Die Fahrtkosten zur ersten Tätigkeitsstätte (180 Tage) kann L parallel absetzen.

Effektiv wird L durch den Wegfall der Abzugsmöglichkeiten für ihr häusliches Arbeitszimmer nicht schlechter gestellt. Sie kann sogar jährlich 10 EUR mehr absetzen als bis dato.

9. Häusliches Arbeitszimmer bei Verkauf der Immobilie

Dass ein häusliches Arbeitszimmer bei der Veräußerung der Immobilie unter Umständen zur Steuerfalle werden kann, verdeutlicht das folgende Beispiel:

Beispiel

Der ledige Syndikusanwalt M ist (hauptberuflich) in einem mittelständischen Industrieunternehmen angestellt und (nebenberuflich) als Rechtsanwalt selbstständig tätig.

M hat mit Wirkung zum 1.1.2021 eine Eigentumswohnung (160 qm Nutzfläche) für 150.000 EUR erworben. Einen Raum (16 qm) nutzt er als häusliches Arbeitszimmer für seine nebenberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt. Im Rahmen der Einnahmen-Überschussrechnung hat er 1.250 EUR (Rechtslage bis einschließlich 2022) als Betriebsausgaben geltend gemacht.

Beachten Sie | Ein Syndikusanwalt kann für sein häusliches Arbeitszimmer grundsätzlich nur den begrenzten Betriebsausgabenabzug geltend machen (vgl. BFH 13.4.2010, Az. VIII R 27/08).

Mit Wirkung zum 2.1.2023 wurde die Wohnung für 200.000 EUR verkauft. Die Veräußerungskosten (Makler etc.) haben 4.000 EUR betragen.

Frage: Muss M einen Veräußerungsgewinn versteuern?

Nach den Einkommensteuerrichtlinien (R 4.2 Abs. 7 S. 1 EStR) gehört das Arbeitszimmer grundsätzlich zum notwendigen Betriebsvermögen, da es ausschließlich und unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke genutzt wird. Eine Ausnahme besteht allerdings bei Grundstücksteilen von untergeordnetem Wert.

Nach § 8 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) müssen eigenbetrieblich genutzte Grundstücksteile nicht als Betriebsvermögen behandelt werden, wenn

  • ihr Wert nicht mehr als ein Fünftel des gemeinen Werts des gesamten Grundstücks und
  • nicht mehr als 20.500 EUR beträgt.

Das häusliche Arbeitszimmer umfasst vorliegend nur 10 % der gesamten Nutzfläche. Da darüber hinaus auch die nominelle Wertgrenze von 20.500 EUR unterschritten ist, ist das häusliche Arbeitszimmer im Ergebnis nicht (zwingend) als Betriebsvermögen zu behandeln, sodass insoweit eine Versteuerung des Veräußerungsgewinns unterbleiben kann.

MERKE | Aufwendungen für einen eigenbetrieblich genutzten Grundstücksteil sind auch dann als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn der Grundstücksteil wegen seines untergeordneten Werts nicht als Betriebsvermögen behandelt wird (R 4.7 Abs. 2 EStR).

Wird das häusliche Arbeitszimmer nicht im Betriebsvermögen, sondern im Privatvermögen gehalten, war lange strittig, wie hier zu verfahren ist. Doch nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH 1.3.2021, Az. IX R 27/19) besteht nun Klarheit und zwar zugunsten der Steuerpflichtigen und entgegen der bisherigen Sichtweise der Finanzverwaltung.

Zum Hintergrund: Die Besteuerung des Veräußerungsgewinns eines innerhalb des Zehnjahreszeitraums veräußerten Grundstücks wird vermieden, wenn

  • das Wirtschaftsgut im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder
  • im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Dies regelt § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG.

Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist der Gewinn aus dem Verkauf eines selbstgenutzten Wohneigentums auch insoweit steuerfrei, als er auf ein zur Erzielung von Überschusseinkünften (beispielsweise Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit) genutztes häusliches Arbeitszimmer entfällt.

MERKE | Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt auch hinsichtlich eines in der im Übrigen selbst bewohnten Eigentumswohnung befindlichen häuslichen Arbeitszimmers vor.

Denn nach den Ausführungen des Bundesfinanzhofs gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber ein häusliches Arbeitszimmer von der Begünstigung ausnehmen wollte.

Rechtsstand: März 2023

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6. November 2022
von MargitSchunke
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Jahressteuergesetz 2022: Das Wichtigste aus dem Entwurf der Bundesregierung

| Der Entwurf der Bundesregierung für ein Jahressteuergesetz (JStG) 2022 beinhaltet u. a. Neuerungen für den Abzug von Aufwendungen für Tätigkeiten im Arbeitszimmer und in der häuslichen Wohnung. Zudem ist vor allem auf eine Freistellung von der Einkommen- und Umsatzsteuer bei Photovoltaik-Kleinanlagen hinzuweisen. |

Tätigkeiten im Arbeitszimmer und in der häuslichen Wohnung

Der Abzug von Aufwendungen für Tätigkeiten im Arbeitszimmer und in der häuslichen Wohnung soll ab 2023 neu geregelt werden. Vor allem die Gesetzesbegründung liefert hierzu folgende Details:

Häusliches Arbeitszimmer

Ein häusliches Arbeitszimmer ist ein Raum, der seiner Lage nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und nach Ausstattung und Funktion der Erledigung betrieblicher oder beruflicher Arbeiten überwiegend büromäßiger Art dient. Bisher sind Aufwendungen (z. B. Miete und Strom) wie folgt abzugsfähig:

  • Bis zu 1.250 EUR jährlich, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht,
  • ohne Höchstgrenze, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.

Steuerpflichtige, die ein häusliches Arbeitszimmer nutzen und denen dauerhaft (hierzu erfolgt leider keine weitere Definition) kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, können ihre Aufwendungen weiterhin als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehen. Der Höchstbetrag von 1.250 EUR soll in einen Pauschbetrag in gleicher Höhe umgewandelt werden. Diese Jahrespauschale soll für die gesamte Betätigung gewährt werden.

Üben Steuerpflichtige verschiedene betriebliche oder berufliche Tätigkeiten aus und sind die Voraussetzungen für die Jahrespauschale jeweils erfüllt, ist die Pauschale auf die Tätigkeiten aufzuteilen (keine Vervielfachung). Zudem ist die Jahrespauschale raumbezogen anzuwenden (keine personenbezogene Vervielfältigung).

Beachten Sie | Ein Abzug der Tagespauschale bei einer häuslichen Wohnung (vgl. dazu später mehr) ist neben dem Abzug der Jahrespauschale für eine andere Tätigkeit nicht zulässig.

Bildet das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung, soll ein vollständiger Abzug der Kosten nicht mehr möglich sein (Verschärfung), soweit

  • ein anderer Arbeitsplatz für die im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübten Betätigungen dauerhaft zur Verfügung steht und
  • die Nutzung des Arbeitszimmers zur Betätigungsausübung nicht erforderlich ist (entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs).

Muss die Tätigkeit nur tageweise in der häuslichen Wohnung ausgeübt werden, weil den Steuerpflichtigen an den übrigen Arbeitstagen ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, kommt ein Abzug der Aufwendungen nur über die Tagespauschale bei einer häuslichen Wohnung in Betracht.

MERKE | In „Mittelpunktsfällen ohne anderen Arbeitsplatz“ sollen die Steuerpflichtigen zwischen dem Abzug der tatsächlichen Kosten und der Jahrespauschale (1.250 EUR) wählen können.

Häusliche Wohnung

Nach der Gesetzesbegründung hat sich die infolge der Coronapandemie eingeführte Homeoffice-Pauschale als vereinfachende Regelung für Sachverhalte bewährt, in denen kein dem Typusbegriff entsprechendes häusliches Arbeitszimmer zur Verfügung steht, sondern z. B. nur eine „Arbeitsecke“.

Für alle Fälle der betrieblichen und beruflichen Betätigung in der häuslichen Wohnung soll (weiterhin) ein Abzug in Form einer Tagespauschale von 5 EUR gewährt werden. Der jährliche Höchstbetrag soll um 400 EUR auf 1.000 EUR (= 200 Tage) erhöht werden.

MERKE | Erfüllen Steuerpflichtige die Voraussetzungen für den Abzug tatsächlicher Kosten oder für den Abzug der Jahrespauschale für ein häusliches Arbeitszimmer, können sie zwischen diesen Abzügen und dem Abzug der Tagespauschale wählen. Ein Abzug von tatsächlichen Kosten, Jahres- oder Tagespauschale nebeneinander ist allerdings nicht zulässig.

Der Betrag von 5 EUR gilt für jeden Kalendertag, an dem die betriebliche oder berufliche Tätigkeit überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt und die erste Tätigkeitsstätte nicht aufgesucht wird.

Der Ausschluss (Pauschale in Höhe von 5 EUR und Entfernungspauschale für Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte) gilt aber nicht, wenn dem Steuerpflichtigen für die Betätigung kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Hier kann sowohl die Entfernungs- als auch die Tagespauschale abgezogen werden.

Beachten Sie | Im Gegensatz zur bisherigen Homeoffice-Pauschale schließt der Abzug von Reisekosten (bei einer Auswärtstätigkeit) den Abzug der Tagespauschale nicht grundsätzlich aus.

Und noch drei weitere Anmerkungen enthält die Gesetzesbegründung:

MERKE | Können Steuerpflichtige Unterkunftskosten für eine doppelte Haushaltsführung abziehen, ist ein zusätzlicher Abzug der Tagespauschale nicht zulässig, soweit die Steuerpflichtigen ihre betriebliche oder berufliche Betätigung in der Wohnung ausüben, für die die Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung abgezogen werden können.

Üben Steuerpflichtige verschiedene Tätigkeiten aus, sind sowohl die Tagespauschale (5 EUR) als auch der Höchstbetrag von 1.000 EUR auf die Betätigungen aufzuteilen.

Ein Abzug der Tagespauschale ist auch zulässig, wenn ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

Kleine Photovoltaikanlagen

Bei kleinen Photovoltaikanlagen mit hohen Anlaufverlusten kommt es oft zu Streitigkeiten mit dem Finanzamt, wenn die Gewinnerzielungsabsicht angezweifelt wird. Daher gewährt die Finanzverwaltung für Anlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 10 kW seit geraumer Zeit ein Wahlrecht (= steuerlich unbeachtliche Liebhaberei auf Antrag des Steuerpflichtigen).

Dieses Wahlrecht soll nun durch eine gesetzliche Steuerbefreiung ersetzt werden. Diese soll unabhängig vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage für Einnahmen und Entnahmen gelten, die nach dem 31.12.2022 erzielt oder getätigt werden.

Vereinfacht soll eine Steuerbefreiung eingeführt werden für Einnahmen aus dem Betrieb von Photovoltaikanlagen bis zu einer Bruttonennleistung (laut Marktstammdatenregister)

  • von 30 kW auf Einfamilienhäusern und Gewerbeimmobilien bzw.
  • 15 kW je Wohn- und Gewerbeeinheit bei übrigen, überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden (z. B. Mehrfamilienhäuser, gemischt genutzte Immobilien).

Auch umsatzsteuerliche Aspekte sollen im JStG 2022 geregelt werden: Für die Lieferung, den innergemeinschaftlichen Erwerb, die Einfuhr und die Installation von Photovoltaikanlagen und Stromspeichern soll zukünftig ein Nullsteuersatz gelten,

  • soweit es sich um eine Leistung an den Betreiber der Photovoltaikanlage handelt und
  • die Anlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird.

MERKE | Da Betreiber von Photovoltaikanlagen bei der Anschaffung der Anlage nicht mehr mit Umsatzsteuer belastet werden, erübrigen sich auch die Fragen zum Vorsteuerabzug.

Weitere Aspekte

Die lineare Gebäude-Abschreibung soll für neue Wohngebäude, die nach dem 30.6.2023 fertiggestellt werden, auf 3 % erhöht werden. Die Regelung, wonach die Abschreibung in Ausnahmefällen nach einer begründeten tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer bemessen werden kann, soll gestrichen werden.

Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ist als Werbungskosten ein Sparer-Pauschbetrag abzuziehen. Dieser Pauschbetrag soll ab 2023 von 801 EUR auf 1.000 EUR erhöht werden (bei Ehegatten von 1.602 EUR auf 2.000 EUR).

Der bisher ab 2025 vorgesehene vollständige Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen soll auf 2023 vorgezogen werden. Damit erhöhen sich die abzugsfähigen Aufwendungen in 2023 um 4 % und in 2024 um 2 %.

Der Ausbildungsfreibetrag soll 2023 von derzeit 924 EUR auf 1.200 EUR angehoben werden. Er wird gewährt, wenn ein volljähriges Kind, für das Anspruch auf Kindergeld oder auf einen -freibetrag besteht, sich in einer Berufsausbildung befindet und auswärtig untergebracht ist.

Quelle | Regierungsentwurf für ein Jahressteuergesetz 2022 vom 14.9.2022; BMF, PM vom 14.9.2022

24. Juni 2022
von MargitSchunke
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Steuerentlastungen 2022: Das verabschiedete Gesetz im Überblick

| Um die steigenden Energiepreise abzufedern, hat die Bundesregierung steuerliche Entlastungen auf den Weg gebracht, denen der Bundesrat am 20.5.2022 zugestimmt hat. |

Folgende Erleichterungen werden rückwirkend ab 1.1.2022 umgesetzt:

  • Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag wird um 200 EUR auf 1.200 EUR angehoben.
  • Der Grundfreibetrag, bis zu dessen Höhe keine Einkommensteuer gezahlt werden muss, steigt um 363 EUR von 9.984 EUR auf 10.347 EUR.
  • Die Entfernungspauschale wird ab dem 21. Kilometer befristet bis 2026 von 35 Cent auf 38 Cent erhöht. Dieser Schritt erfolgt nun zwei Jahre eher als ursprünglich geplant.
  • Beachten Sie | Für die ersten 20 Kilometer beträgt die Pauschale unverändert 30 Cent pro Entfernungskilometer.

Energiepreispauschale und Kinderbonus

Zudem erhalten Erwerbstätige, Selbstständige und Gewerbetreibende eine einmalige steuerpflichtige Energiepreispauschale von 300 EUR. Die Auszahlung erfolgt ab September 2022 über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers.

Beachten Sie | Selbstständige erhalten einen Vorschuss über eine einmalige Senkung ihrer Einkommensteuer-Vorauszahlung.

Für jedes Kind, für das Anspruch auf Kindergeld besteht, gibt es einen Einmalbonus von 100 EUR. Die Zahlung erfolgt ab Juli 2022 und wird auf den Kinderfreibetrag angerechnet.

Quelle | Steuerentlastungsgesetz 2022, BGBl I 2022, S. 749; Bundesregierung vom 20.5.2022 „Steuerliche Erleichterungen beschlossen“

30. Oktober 2021
von MargitSchunke
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Zur Umsatzsteuerpflicht von physiotherapeutischen Leistungen

| Das Finanzgericht Düsseldorf hat aktuell zur Umsatzsteuerpflicht physiotherapeutischer und allgemein der Gesundheitsförderung dienender Leistungen ohne ärztliche Verordnung entschieden. |

Hintergrund

Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden, sind von der Umsatzsteuer befreit.

MERKE | Steuerbegünstigt sind aber nur solche Maßnahmen, die ein medizinisch-therapeutisches Ziel verfolgen. Umsatzsteuerbefreite Heilbehandlungen sind Tätigkeiten, die zur Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, zur Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden.

 

Sachverhalt

Ein Gesundheitsdienstleister im Bereich der Physiotherapie behandelte physiotherapeutische Leistungen an Patienten, die ihre Therapien im Anschluss an eine ärztliche Verordnung auf eigene Rechnung fortgesetzt hatten (Selbstzahler), als umsatzsteuerfrei. Begründung: Es handele sich um umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen, eine fortlaufende Verordnung sei nicht zwingend erforderlich. Zudem seien gesondert in Rechnung gestellte Nebenleistungen (Kinesio-Taping, Wärme- und Kältetherapie, Extensionsbehandlung, bestimmte zertifizierte Kurse, Rehasport und zusätzliche Gerätetrainingsmöglichkeiten) ebenfalls nicht umsatzsteuerpflichtig, da sie im Zusammenhang mit steuerfreien Heilbehandlungen stünden.

Das Finanzamt vertrat dagegen die Ansicht, der Gesundheitsdienstleister habe für die Umsätze, die auf Selbstzahler entfielen, den therapeutischen Zweck der Leistungen nicht nachgewiesen. Bei den übrigen Leistungen handele es sich um optionale Leistungen und nicht um unselbstständige Nebenleistungen.

Nach der Entscheidung des Finanzgerichts stellen die im Bereich des Rehasports erbrachten Leistungen steuerfreie Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin dar. Dies ist durch die ärztlichen Verordnungen nachgewiesen.

Auch die Erlöse von Selbstzahlern sind zum Teil steuerfrei. Der Therapiezweck ist dabei aber nur in den Fällen nachgewiesen, in denen bereits vor der Anschlussbehandlung eine ärztliche Verordnung vorgelegen hat und spätestens nach Ablauf eines Jahres wegen derselben chronischen Erkrankung eine erneute ärztliche Verordnung zur Physiotherapie vorgelegt wurde.

Hinsichtlich der übrigen Leistungen hat das Finanzgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Denn der Gesundheitsdienstleister konnte nicht nachweisen, dass diese Leistungen einen über die allgemeine Gesundheitsförderung hinausgehenden therapeutischen Zweck hatten. Insbesondere lagen keine ärztlichen Verordnungen vor und die Leistungen waren auch nicht unerlässlicher Bestandteil der Leistungen Physiotherapie und Rehasport.

Quelle | FG Düsseldorf, Urteil vom 16.4.2021, Az. 1 K 2249/17 U, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 223561; FG Düsseldorf, Newsletter August/September 2021

 


1. September 2021
von MargitSchunke
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Kleine Fotovoltaikanlagen: Steuerlich unbeachtliche Liebhaberei auf Antrag

| Bei kleinen Fotovoltaikanlagen kommt es oft zu Streitigkeiten mit dem Finanzamt, wenn die Gewinnerzielungsabsicht angezweifelt wird. Das ist meist der Fall, wenn in den ersten Jahren höhere Verluste erwirtschaftet werden. Diesen Streit möchte das Finanzamt ab sofort vermeiden. Damit künftig keine aufwendigen und streitanfälligen Ergebnisprognosen für die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht vom Steuerpflichtigen erstellt und vom Finanzamt geprüft werden müssen, hat die Finanzverwaltung eine praxistaugliche Vereinfachung geschaffen. |

Keine Gewinnerzielungsabsicht auf Antrag

Auf schriftlichen Antrag des Steuerpflichtigen ist aus Vereinfachungsgründen ohne weitere Prüfung in allen offenen Veranlagungszeiträumen zu unterstellen, dass die Fotovoltaikanlage nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Es liegt damit eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei vor. Der Antrag wirkt auch für die Folgejahre.

Durch die Antragstellung wird auch für alle verfahrensrechtlich noch offenen Veranlagungszeiträume der Vergangenheit unterstellt, dass keine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt. Die Folge ist, dass auch in bereits vergangenen Jahren keine Gewinne versteuert werden müssen bzw. Verluste verrechenbar sind. Erfolgten Steuerfestsetzungen z. B. unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bzw. ergingen sie insoweit vorläufig, sind die Steuerfestsetzungen zu ändern und Gewinne bzw. Verluste nicht weiter zu berücksichtigen. Gewinne oder Verluste bleiben nur dann bestehen, wenn sie in einem verfahrensrechtlich nicht mehr änderbaren Steuerbescheid berücksichtigt wurden.

PRAXISTIPP | Eine Antragstellung kann vor allem sinnvoll sein, wenn bereits für ältere Jahre Verluste anerkannt wurden und diese Jahre nicht geändert werden können. Dann bleiben diese Verluste steuerlich erhalten, künftige Gewinne unterliegen jedoch nicht der Besteuerung.

Wird kein entsprechender Antrag durch den Steuerpflichtigen gestellt, bleibt es bei dem ursprünglichen Verfahren. Die Gewinnerzielungsabsicht ist dann nach den allgemeinen Grundsätzen zu prüfen.

Nur kleine Anlagen sind begünstigt

Die Liebhaberei auf Antrag gilt für kleine Fotovoltaikanlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 10 kW, wenn die Inbetriebnahme nach dem 31.12.2003 erfolgte. Zudem muss sich die Fotovoltaikanlage auf einem zu eigenen Wohnzwecken genutzten oder auf einem unentgeltlich überlassenen Ein- oder Zweifamilienhaus einschließlich dessen Außenanlagen (z. B. Garagen) befinden.

Eine Anwendung ist damit ausgeschlossen, wenn die Anlage auf einem vermieteten oder gewerblich genutzten Grundstück oder auf einem Mehrfamilienhaus installiert wurde. Bei der Prüfung, ob es sich um ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Ein- und Zweifamilienhaus handelt, ist ein häusliches Arbeitszimmer unbeachtlich. Gleiches gilt für Räume (z. B. Gästezimmer), die nur gelegentlich entgeltlich vermietet werden, wenn die Einnahmen hieraus 520 EUR im Veranlagungszeitraum nicht überschreiten.

Beachten Sie | Die Neuerungen gelten auch für kleine Blockheizkraftwerke mit einer installierten Leistung von bis zu 2,5 kW. Voraussetzung ist allerdings auch hier, dass sich das Blockheizkraftwerk in einem eigengenutzten oder unentgeltlich überlassenen Ein- oder Zweifamilienhaus befindet und die Inbetriebnahme nach dem 31.12.2003 erfolgte.

Liegen die Voraussetzungen der Liebhaberei auf Antrag in vorangehenden Jahren nicht vor oder ändern sich in künftigen Veranlagungszeiträumen die Verhältnisse (z. B. Vergrößerung der Anlage oder Nutzungsänderung des Gebäudes), gilt der Antrag insoweit nicht. Zudem ist der Steuerpflichtige verpflichtet, dem Finanzamt einen Wegfall der Voraussetzungen für die Vereinfachungsregelung in künftigen Jahren schriftlich mitzuteilen.

Umsatzsteuerliche Hinweise

Die vorgenannten Ausführungen gelten für die Einkommensteuer. Umsatzsteuerlich ist es unbeachtlich, ob die Anlage mit Gewinn oder Verlust betrieben wird. Hier kommt es für die Unternehmereigenschaft darauf an, ob mit der Anlage Einnahmen erzielt werden sollen.

Quelle | BMF-Schreiben vom 2.6.2021, Az. IV C 6 – S 2240/19/10006 :006, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 222838

1. August 2021
von MargitSchunke
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Gesetzgebung: Das neue Optionsmodell zur Körperschaftsteuer

| Der Bundesrat hat dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts am 25.6.2021 zugestimmt. Dahinter verbirgt sich ein gewaltiger Paradigmenwechsel: Die Einführung einer Option zur Körperschaftsteuer für Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften. |

Mit der Option wird z. B. den Gesellschaftern einer GmbH & Co. KG ein Wahlrecht eingeräumt, ob sie

  • weiterhin der Besteuerung des Einkommensteuergesetzes unterworfen werden wollen oder
  • in das Trennungsprinzip der Körperschaftsteuer wechseln möchten.

Kernpunkt der Neuregelung ist die Fiktion eines Formwechsels. Das bedeutet: Obwohl der Rechtsträger zivilrechtlich nicht „das Kleid“ der Personengesellschaft wechselt, werden die Folgen steuerlich so gezogen, als ob ein solcher Wechsel erfolgt wäre.

MERKE | Die Option hat also keinen Einfluss auf die zivilrechtliche Rechtsform der Gesellschaft. Somit führt die Gesellschaft für handelsbilanzielle Zwecke weiterhin veränderliche Kapitalanteile für ihre Gesellschafter.

Antrag und erstmalige Anwendung

Der Antrag ist von der Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft spätestens einen Monat vor Beginn des Wirtschaftsjahrs zu stellen, ab dem die Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft gelten soll.

Beachten Sie | Der Antrag ist nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung abzugeben. Nur in Härtefällen (so die Gesetzesbegründung) ist auch ein schriftlicher Antrag nach amtlichem Muster möglich.

Erstmalige Anwendung: Die Option zur Körperschaftsteuer kann erstmals für Wirtschaftsjahre ausgeübt werden, die nach dem 31.12.2021 beginnen. Dafür muss der Antrag in 2021 rechtzeitig gestellt werden.

Hat eine Gesellschaft zur Körperschaftsbesteuerung optiert, kann sie beantragen, dass sie nicht mehr wie eine Kapitalgesellschaft und ihre Gesellschafter nicht mehr wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft behandelt werden (Rückoption).

Wesentliche Änderungen

Auf Ebene der (ehemaligen) Mitunternehmer wird das bisherige Sonderbetriebsvermögen vollständig negiert.

Hintergrund: Das Sonderbetriebsvermögen umfasst Wirtschaftsgüter, die dem Mitunternehmer zuzurechnen sind, aber dem Betrieb der Personengesellschaft dienen. Sie werden in die steuerliche Gewinnermittlung der Personengesellschaft einbezogen.

Der Wegfall des Sonderbetriebsvermögens hat insbesondere folgende Auswirkungen:

  • Tätigkeitsvergütungen werden ab dem Optionsjahr den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zugerechnet.
  • Vergütungen für die Überlassung von Wirtschaftsgütern werden den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Einkommensteuergesetz (EStG) bzw. den sonstigen Einkünften nach § 22 EStG zugerechnet, soweit nicht die entsprechende Subsidiaritätsklausel zu gewerblichen Einkünften führt.

Zudem ist zu beachten, dass die Gewinnanteile der Gesellschafter nach wirksamer Option den Einkünften des § 20 EStG (Einkünfte aus Kapitalvermögen) zuzurechnen sind.

Beachten Sie | Diese Gewinnanteile gelten erst dann als ausgeschüttet, wenn sie entnommen werden oder ihre Auszahlung verlangt werden kann.

MERKE | Funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen: Die gesetzlich fingierte formwechselnde Umwandlung ist nur dann steuerlich unschädlich, wenn das Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmer auf die optierende Gesellschaft übertragen wird.

Mit dem Wirksamwerden der Option können auch verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) vorliegen. Die Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter müssen sich dem sogenannten Fremdvergleichsgrundsatz stellen.

Hintergrund: Bei einer vGA handelt es sich vereinfacht um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.

MERKE | Im Geltungsbereich des Sonderbetriebsvermögens einer Mitunternehmerschaft sind derartige Vereinbarungen grundsätzlich frei von solchen Zwängen. Somit müssen die Gesellschaftsverträge der optierenden Gesellschaft einer genaueren Prüfung unterzogen werden.

Anmerkungen

Das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts ist im Grunde genommen zu begrüßen, zumal hier echtes Gestaltungspotenzial besteht. Ob die Option zur Körperschaftsteuer beantragt werden soll, ist jedoch nicht pauschal zu beantworten, sondern vom jeweiligen Einzelfall abhängig.

In seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf hat der Deutsche Steuerberaterverband e. V. (DStV) u. a. kritisiert, dass die Praxis vom Bundesfinanzministerium im Vorfeld des Kabinettsbeschlusses keine Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten habe. Hier hätte sich der DStV eine deutlich längere Vorlaufzeit zur Beurteilung der Praktikabilität des Vorhabens gewünscht.

Zudem sind vor einer Option u. a. folgende Aspekte zu beachten:

  • Die optierende Gesellschaft gilt zivilrechtlich als Personengesellschaft, steuerlich wird sie aber als Kapitalgesellschaft behandelt. Somit müssen bei einer Gesellschaft beide Rechtssysteme beachtet werden.
  • In die komplexen Abwägungsentscheidungen sind auch Verlustvorträge einzubeziehen.

Quelle | Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, BR-Drs. 467/21 (B) vom 25.6.2021; DStV vom 29.4.2021, Stellungnahme zum „Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts“

4. Mai 2021
von MargitSchunke
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Reform der Grundsteuer

Reform der Grundsteuer

Zum Anfang



Für alle Steuerpflichtigen


Die neue und alte Grundsteuer im Überblick

| Die Reform der Grundsteuer betrifft jeden Bürger egal ob es sich um Eigentümer oder Mieter handelt. Und Fakt ist auch, dass die Neubewertung der über 35 Millionen Grundstücke zu einer echten Herkulesaufgabe werden wird. Grund genug, das alte und neue Prozedere bei der Berechnung der Grundsteuer vorzustellen. |

1. Derzeitige Berechnung

Nach der aktuellen Rechtslage sind Einheitswerte neben den Steuermesszahlen und den von den Gemeinden festgelegten Hebesätzen Grundlage für die Bemessung der Grundsteuer. Dabei ist folgende Formel relevant:

Berechnungsformel

Einheitswert x Grundsteuermesszahl x Grundsteuerhebesatz

1.1 Einheitswert

Maßgebend für die Feststellung der Einheitswerte sind in den „alten“ Bundesländern und West-Berlin die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964. In den „neuen“ Bundesländern gilt sogar der 1.1.1935. Die Einheitswerte werden von den Finanzämtern festgesetzt.

Beachten Sie | Die Vorgabe, alle sechs Jahre eine erneute Hauptfeststellung durchzuführen, wurde nicht bzw. nie umgesetzt.

Einheitswerte werden unter gewissen Voraussetzungen neu festgestellt. Zu unterscheiden sind insbesondere:

  • Wertfortschreibung,
  • Artfortschreibung (Beispiel: aus einem Einfamilienhaus entsteht durch Umbau ein Zweifamilienhaus),
  • Zurechnungsfortschreibung (Beispiel: Eigentümerwechsel),
  • Nachfeststellung.

1.2 Grundsteuermesszahl

Wird der Einheitswert mit der Steuermesszahl multipliziert, erhält man den Grundsteuermessbetrag. Die Steuermesszahlen sind Tausendsätze. Sie hängen u. a. davon ab, ob es sich um ein Ein- oder ein Zweifamilienhaus handelt.

1.3 Grundsteuerhebesatz

Auf den Grundsteuermessbetrag wird dann der von der Gemeinde festgelegte Grundsteuerhebesatz angewandt.

Es werden zwei Arten unterschieden:

  • Grundsteuer A (agrarisch für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft) sowie
  • Grundsteuer B (baulich für bebaute oder bebaubare Grundstücke).

Berechnungsbeispiel

Der vom Finanzamt festgestellte Einheitswert für ein Einfamilienhaus beträgt 30.000 EUR. In der Variante 1 befindet sich die Immobilie in Selm (Hebesatz = 825 %). In der Variante 2 in Mettmann (Hebesatz = 480 %).

Die Grundsteuermesszahl beträgt 2,6 Promille, sodass sich ein Grundsteuermessbetrag von 78 EUR ergibt.

In der Variante 1 (Selm) müssen Eigentümer somit Grundsteuer in Höhe von 643,50 EUR im Jahr bezahlen.

In der Variante 2 (Mettmann) sind es hingegen nur 374,40 EUR.

 

MERKE | Das Beispiel zeigt, dass der Hebesatz der jeweiligen Gemeinde enorme Auswirkungen auf die Höhe der Grundsteuer hat.

2. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Die Regelungen zur Einheitsbewertung von Grundvermögen in den „alten“ Bundesländern sind nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.4.2018 jedenfalls seit Beginn 2002 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar. Das Festhalten des Gesetzgebers an dem Hauptfeststellungszeitpunkt von 1964 führt zu gravierenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen, die nicht ausreichend gerechtfertigt sind.

Beachten Sie | Das Bundesverfassungsgericht musste nur zur Bewertung in den „alten“ Bundesländern entscheiden. Die Urteilsgründe gelten aber erst Recht für das Beitrittsgebiet, da hier auf den 1.1.1935 abgestellt wird.

Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber eine Frist zur Neuregelung spätestens bis zum 31.12.2019 gesetzt. Nach Verkündung einer Neuregelung dürfen die beanstandeten Regelungen aber noch für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum 31.12.2024, angewandt werden.

Beachten Sie | Die lange Übergangsregelung ist dem enormen administrativen Aufwand geschuldet. Denn es müssen bundesweit mehr als 35 Millionen Grundstücke neu bewertet werden.

3. Gesetzliche Neuregelung im Überblick

Ab 2025 wird die Grundsteuer durch die Kommunen nach neuen Regeln erhoben. Die erste Hauptfeststellung (Feststellung der neuen Grundstückswerte nach neuem Recht) erfolgt bereits auf den Stichtag 1.1.2022.

Beachten Sie | Die nächste darauffolgende Hauptfeststellung wird dann auf den 1.1.2029 erfolgen. Es ist somit von einem siebenjährigen Hauptfeststellungszeitraum auszugehen.

Die Neuregelungen basieren auf drei Gesetzen, denen der Bundestag und Bundesrat in 2019 zugestimmt haben:

  • Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts,
  • Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung,
  • Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes.

Das dreistufige Verfahren (Bewertung, Steuermessbetrag, Hebesatz der Gemeinde) bleibt erhalten. Der bisherige Begriff „Einheitswert“ wird durch den Begriff „Grundsteuerwert“ ersetzt.

Neu ist insbesondere, dass die Grundstücke nach einem wertabhängigen Modell bewertet werden, wobei es vor allem auf folgende Faktoren ankommt:

  • Wert des Bodens (Bodenrichtwert),
  • Höhe der statistisch ermittelten Nettokaltmiete,
  • Grundstücksfläche,
  • Immobilienart und
  • Alter des Gebäudes.

Beachten Sie | Nach der Grundgesetzänderung haben die Bundesländer die Möglichkeit, vom Bundesrecht abweichende Regelungen zu treffen (sogenannte Öffnungsklausel).

4. Öffnungsklausel für die Bundesländer

Bayern hat schon früh im Gesetzgebungsverfahren angekündigt, die Grundsteuer wertunabhängig nach den Flächen von Grundstücken und Gebäuden erheben zu wollen.

Als erstes Bundesland hat Baden-Württemberg ein eigenständiges Landesgesetz zur Grundsteuer verabschiedet. Dabei handelt es sich um ein modifiziertes Bodenwertmodell, das im Kern auf zwei Kriterien basiert: der Grundstücksfläche und dem Bodenrichtwert. Für die Berechnung werden beide Werte miteinander multipliziert. Auf die Bebauung kommt es für die Bewertung nicht an. Eine Modifizierung erfolgt anschließend bei Anwendung der Steuermesszahl: Für überwiegend zu Wohnzwecken genutzte Grundstücke erfolgt ein Abschlag in Höhe von 30 %.

Auch Hamburg strebt einen eigenen Weg an und will dabei sowohl die Fläche als auch die Lage des Grundstücks berücksichtigen. Niedersachsen erwägt ein Modell, das auf dem Flächenmodell aufbaut und kommunale Lagefaktoren bei der Berechnung mit einfließen lässt.

Das Saarland will das Bundesmodell zwar weitgehend übernehmen. Die Öffnungsklausel soll aber dennoch genutzt werden. Auch Sachsen und Hessen planen dem Vernehmen nach mit einer Öffnungsklausel.

Demgegenüber gibt es in Schleswig-Holstein, Berlin, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Bremen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg Bestrebungen, das wertabhängige Konzept des Bundes zu übernehmen.

Zu den Plänen in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern gibt es noch keine belastbaren Informationen.

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf das wertabhängige Modell (Bundesmodell).

5. Das zählt zum Grundvermögen

Zum Grundvermögen gehören nach § 243 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG):

  • der Grund und Boden, das Gebäude, sonstige Bestandteile und das Zubehör,
  • das Erbbaurecht,
  • das Wohnungseigentum und das Teileigentum,
  • das Wohnungserbbaurecht und das Teilerbbaurecht nach § 30 Abs. 1 des Wohnungseigentumsgesetzes.

5.1 Unbebaute Grundstücke

Nach § 247 Abs. 1 S. 1 BewG bestimmt sich der Grundsteuerwert unbebauter Grundstücke regelmäßig nach ihrer Fläche und den Bodenrichtwerten (Fläche x Bodenrichtwert).

Hiermit wurde also eine fortschreitend wertabhängige Komponente eingeführt, denn die Bodenrichtwerte sind auf den jeweiligen Hauptfeststellungszeitpunkt (1.1.2022, 1.1.2029 etc.) aktualisiert zu ermitteln.

5.2 Bebaute Grundstücke

Bei der Bewertung bebauter Grundstücke sind nach § 249 BewG folgende Grundstücksarten zu unterscheiden:

  • Einfamilienhäuser,
  • Zweifamilienhäuser,
  • Mietwohngrundstücke,
  • Wohnungseigentum,
  • Teileigentum,
  • Geschäftsgrundstücke,
  • gemischt genutzte Grundstücke und
  • sonstige bebaute Grundstücke.

MERKE | Es hängt von der Grundstücksart ab, ob das Ertragswert- oder Sachwertverfahren gilt. Zudem hängt die Zuordnung der jeweiligen Steuermesszahl von der Grundstücksart ab.

6. Bebaute Grundstücke im Ertragswertverfahren

Nach § 250 Abs. 2 BewG werden folgende bebaute Grundstücke im Ertragswertverfahren bewertet:

  • Ein- und Zweifamilienhäuser,
  • Mietwohngrundstücke und
  • Wohnungseigentum.

Beachten Sie | Nach § 251 Abs. 1 BewG darf der für das bebaute Grundstück anzusetzende Wert nicht geringer sein als 75 % des Werts, mit dem der Grund und Boden allein als unbebautes Grundstück zu bewerten wäre.

Das typisierte Ertragswertverfahren stellt sich nach den §§ 252 bis 257 BewG schematisch wie folgt dar:

Ermittlung nach dem Ertragswertverfahren

jährlicher Rohertrag (§ 254 BewG, Anlage 39 zum BewG)

./.

nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten (§ 255 BewG, Anlage 40 zum BewG)

=

jährlicher Reinertrag (§ 253 Abs. 1 BewG)

×

Vervielfältiger/Barwertfaktor (§ 253 Abs. 2, § 256 BewG, Anlage 37 zum BewG)

=

Barwert des Reinertrags (§§ 252, 253 BewG)

+

abgezinster Bodenwert (§ 257 BewG, Anlage 41 zum BewG)

=

Grundsteuerwert (§ 252 BewG)

6.1 Ermittlung Rohertrag

Nach § 254 BewG ergibt sich der Rohertrag des Grundstücks aus den in Anlage 39 zum BewG in Abhängigkeit von

• Bundesland,

• Gebäudeart,

• Wohnungsgröße und

• Baujahr des Gebäudes

angegebenen monatlichen Nettokaltmieten je Quadratmeter Wohnfläche einschließlich der nach Mietniveaustufen differenzierten Zu- und Abschläge.

MERKE | Für einen Garagenstellplatz (Einzelgarage/Tiefgarage) wird die Nettokaltmiete mit einem Festwert von 35 EUR/Monat angesetzt.

Zur Berücksichtigung von Mietniveauunterschieden zwischen Gemeinden eines Landes werden die vorbezeichneten Nettokaltmieten durch Ab- oder Zuschläge (nach Teil II der Anlage 39 zum BewG) angepasst.

Es werden sechs Mietniveaustufen unterschieden:

  • Mietniveaustufe 1: – 22,5 %
  • Mietniveaustufe 2: – 10,0 %
  • Mietniveaustufe 3: +/ 0 %
  • Mietniveaustufe 4: + 10,0 %
  • Mietniveaustufe 5: + 20,0 %
  • Mietniveaustufe 6 und höher: + 32,5 %

Die gemeindebezogene Einordnung in die Mietniveaustufen ergibt sich aus der Rechtsverordnung zur Durchführung des § 254 BewG in der aktuellen Fassung.

Beispiele

  • Dortmund (NRW): 3
  • Düsseldorf (NRW): 6
  • Dresden (Sachsen): 3

Derzeit befindet sich ein „Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz“ in der Pipeline (Regierungsentwurf vom 31.3.2021). Vorgesehen sind u. a. eine Anpassung/Erhöhung der sich aus Anlage 39 zum BewG ergebenden durchschnittlichen Nettokaltmieten und die Einführung einer neuen Mietniveaustufe 7 auf der Grundlage aktueller Daten des Statistischen Bundesamtes aus dem Mikrozensus 2018. Im Vergleich zu den oben aufgeführten Mietniveaustufen ergeben sich folgende Änderungen: Stufe 1: – 20 %, Stufe 6: + 30 %, Stufe 7: + 40 %.

6.2 Bewirtschaftungskosten

Für die Verwaltung, Instandhaltung und das Mietausfallwagnis werden pauschalierte Bewirtschaftungskosten in % des Rohertrags des Grundstücks nach § 254 BewG abgezogen. Die Prozentsätze ergeben sich in Abhängigkeit von der jeweiligen Grundstücksart und der Restnutzungsdauer des Gebäudes.

Die für die Bewirtschaftungskosten zu berücksichtigende Restnutzungsdauer ist grundsätzlich der Unterschiedsbetrag zwischen der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer, die sich aus der Anlage 38 zum BewG ergibt, und dem Alter des Gebäudes am Bewertungsstichtag (§ 253 Abs. 2 S. 3 BewG).

Nach dem Regierungsentwurf soll sich die Alterswertberechnung bzw. Restnutzungsdauer nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt richten und nicht nach dem Bewertungsstichtag.

6.3 Vervielfältiger

Der Reinertrag des Grundstücks ist mit dem sich aus Anlage 37 ergebenden Vervielfältiger zu kapitalisieren. Maßgebend für den Vervielfältiger sind der Liegenschaftszinssatz nach § 256 BewG sowie die Restnutzungsdauer des Gebäudes (§ 253 Abs. 2 S. 2 BewG). Bei der Bewertung gelten nach § 256 Abs. 1 S. 2 BewG folgende Zinssätze:

  • 2,5 % für Ein- und Zweifamilienhäuser
  • 3 % für Wohnungseigentum
  • 4 % für Mietwohngrundstücke mit bis zu sechs Wohnungen
  • 4,5 % für Mietwohngrundstücke mit mehr als sechs Wohnungen

MERKE | Bei Ein- und Zweifamilienhäusern sowie beim Wohnungseigentum sind beim Zinssatz nach § 256 Abs. 2 und Abs. 3 BewG ggf. Abschläge vorzunehmen.

7. Steuermesszahlen

Zur Ermittlung des Steuermessbetrags wird der Grundsteuerwert mit der Steuermesszahl multipliziert. Diese wird als Promillesatz angegeben und beträgt für bebaute Grundstücke grundsätzlich 0,34 ‰ (§ 15 Abs. 1 GrStG). Wegen der erhöhten Nettokaltmieten soll der Promillesatz nach dem Regierungsentwurf auf 0,31 ‰ gesenkt werden.

Für bestimmte Wohngebäude ist nach § 15 GrStG eine Ermäßigung um 25 % vorgesehen. Dies gilt z. B. für Grundstücke, für die nach dem Wohnraumförderungsgesetz eine Förderzusage erteilt wurde. Weitere Ermäßigungstatbestände sind in § 15 GrStG aufgeführt.

8. Musterfall (Einfamilienhaus)

Folgende Parameter sollen gelten:

  • Einfamilienhaus mit Garage in Werne, NRW, Stichtag der Bewertung: 1.1.2022
  • Grundstück: 506 qm
  • Bodenrichtwert: 190 EUR/qm
  • Wohnäche nach Wohnächenverordnung: 134 qm
  • Baujahr: 2014
  • Jahresrohmiete Wohnäche – Wertverhältnisse 1.1.1964: 4,10 DM/qm pro Monat
  • Jahresrohmiete Garage – Wertverhältnisse 1.1.1964: 25 DM pro Monat
  • Grundsteuerhebesatz der Stadt Werne: 665 %

Zunächst wird die Grundsteuer nach den alten Vorgaben ermittelt. Im Anschluss wird die neue Grundsteuer berechnet:

8.1 Grundsteuer (alt)

Ermittlung des Einheitswerts (1.1.1964)

Jahresrohmiete Wohnung (134 qm × 4,10 DM × 12)

6.592 DM

Jahresrohmiete Garage (Festwert 25 DM × 12)

300 DM

Gesamtjahresrohmiete

6.892 DM

Grundstückswert (Gesamtjahresrohmiete 6.892 DM × Vervielfältiger 11,8) Vervielfältiger gemäß Anlage 7 zum BewG, Gemeindegrößenklasse 4, Bauausführung A

81.325 DM

Einheitswert (gerundet auf volle 100 DM nach unten)

81.300 DM

Einheitswert in EUR lt. Einheitswertbescheid

41.568 EUR

 

Ermittlung des Grundsteuermessbetrags

Einheitswert

41.568,00 EUR

davon 38.346,89 EUR × Steuermesszahl 2,6 ‰

99,70 EUR

davon 3.221,11 EUR × Steuermesszahl 3,5 ‰

11,27 EUR

Summe Steuermessbetrag

110,97 EUR

 

Ermittlung Grundsteuer

Messbetrag 110,97 EUR × Hebesatz (665 %)

737,95 EUR

8.2 Grundsteuer (neu)

linke Spalte (1): Zahlen nach derzeitigem Rechtsstand

rechte Spalte (2): Zahlen nach den Maßgaben des Regierungsentwurfs

Ermittlung des Grundsteuerwerts

EUR/qm (1)

EUR/qm (2)

gesetzlich normierte durchschnittliche Nettokaltmiete für NRW (Anlage 39 zum BewG, Teil I)

6,03 EUR

6,88 EUR

Zu-/Abschlag für Werne nach der Mietniveaustufe 3 (0 %)

Zu-/Abschlag für Werne nach der Mietniveaustufe 2 (- 10 %)(Anlage 39 zum BewG, Teil II)

0,00 EUR

-0,69 EUR

monatliche Nettokaltmiete

6,03 EUR

6,19 EUR

jährlicher Rohertrag EFH (6,03/6,19 EUR × 134 qm × 12)

9.696 EUR

9.954 EUR

jährlicher Rohertrag Garage (35 EUR × 12)

420 EUR

420 EUR

Summe jährlicher Rohertrag

10.116 EUR

10.374 EUR

Bewirtschaftungskosten (10.116/10.374 EUR × 18 %) Restnutzungsdauer 72 Jahre bei einer Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren lt. Anlage 38 zum BewG

 1.820 EUR

 1.867 EUR

jährlicher Reinertrag

8.296 EUR

8.507 EUR

Vervielfältiger = 33,24 (Anlage 37 BewG, RND 72 Jahre und Liegenschaftszinssatz 2,5 %, keine Zinssatzanpassung, da der Bodenrichtwert 500 EUR nicht übersteigt)

Barwert des Reinertrags (8.296/8.507 EUR × 33,24)

275.759 EUR

282.773 EUR

Bodenwert (506 qm × 190 EUR × 1,00); Umrechnungskoefzient 1,00

96.140 EUR

96.140 EUR

Abgezinster Bodenwert (96.140 EUR × 0,1690) Abzinsungsfaktor nach Anlage 41 zum BewG, RND 72 Jahre und Liegenschaftszinssatz 2,5 %

16.247 EUR

16.247 EUR

Grundsteuerwert (abgezinster Bodenwert + Barwert des Reinertrags)

292.006 EUR

299.020 EUR

Mindestwert (§ 251 BewG): Bodenwert 96.140 EUR × 75 % = 72.105 EUR; kein Ansatz, da niedriger als Grundsteuerwert

Grundsteuerwert (Abrundung auf volle 100 EUR)

292.000 EUR

299.000 EUR

 

Ermittlung des Grundsteuermessbetrags

Grundsteuerwert 292.000 EUR × Steuermesszahl 0,34 ‰

Grundsteuerwert 299.000 EUR × Steuermesszahl 0,31 ‰

99,28 EUR

92,69 EUR

 

Ermittlung Grundsteuer

Messbetrag 99,28/92,69 EUR × Hebesatz (665 %)

660,21 EUR

616,39 EUR

 

FAZIT | Der Vergleich (alt: 737,95 EUR; neu: 660,21 bzw. 616,39 EUR) zeigt, dass sich wegen der herabgesetzten Steuermesszahlen nicht zwingend eine höhere Grundsteuer ergibt.

9. Bebaute Grundstücke im Sachwertverfahren

Das Sachwertverfahren ist für Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke, Teileigentum und sonstige bebaute Grundstücke maßgeblich. Im Sachwertverfahren ist der Wert der Gebäude (Gebäudesachwert) getrennt vom Bodenwert zu ermitteln (§ 258 Abs. 1 BewG). Eine schematische Übersicht zum typisierten (vereinfachten) Sachwertverfahren nach den §§ 258 bis 260 BewG enthält die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/11085 vom 25.6.2019).

10. Die neue Grundsteuer C

Nach § 25 Abs. 5 GrStG können Gemeinden aus städtebaulichen Gründen für baureife, aber unbebaute Grundstücke einen höheren Hebesatz festlegen, wenn auf diesen keine Bebauung erfolgt (Grundsteuer C). Betroffen sind unbebaute Grundstücke, die der Grundsteuerpflicht unterliegen und innerhalb oder außerhalb eines Plangebiets trotz Baureife nicht baulich genutzt werden. Dabei sollen Hinderungsgründe zivilrechtlicher Art, die einer sofortigen Bebauung entgegenstehen, bei der Beurteilung der Baureife außer Betracht bleiben.

Beachten Sie | Die Gemeinde soll nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob eine besondere Nachfrage nach Bauland besteht und welche steuerliche Belastung den Grundstückseigentümern auferlegt werden soll.

FAZIT | Das Gesamtaufkommen der Grundsteuer soll sich nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht verändern. Fest steht aber, dass einige Bürger mehr und andere weniger zahlen müssen. Verlierer und Gewinner stehen aber noch nicht fest. Denn dies hängt zum einen davon ab, ob das jeweilige Bundesland von der Öffnungsklausel Gebrauch machen wird. Zudem bleibt abzuwarten, ob bzw. welche Kommunen ihre Hebesätze anpassen werden.

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27. März 2021
von MargitSchunke
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Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale für Helfer in Impfzentren

| Die Finanzministerien von Bund und Ländern haben sich auf eine steuerliche Entlastung für freiwillige Helfer in Impfzentren festgelegt. Diese können nun von der Übungsleiter- oder Ehrenamtspauschale profitieren, wonach Vergütungen für bestimmte Tätigkeiten bis zu einem festgelegten Betrag steuerfrei sind. |

Übungsleiter-/Ehrenamtspauschale

Nach der Abstimmung zwischen Bund und Ländern gilt für diejenigen, die direkt an der Impfung beteiligt sind also in Aufklärungsgesprächen oder beim Impfen selbst die Übungsleiterpauschale. Diese Regelung gilt für Einkünfte in den Jahren 2020 und 2021.

Beachten Sie | Die Übungsleiterpauschale lag 2020 bei 2.400 EUR und wurde mit Wirkung ab 2021 auf 3.000 EUR jährlich erhöht.

Wer sich in der Verwaltung und der Organisation von Impfzentren engagiert, kann die Ehrenamtspauschale (720 EUR in 2020 und 840 EUR ab 2021) in Anspruch nehmen.

Voraussetzungen

Die Übungsleiter- und die Ehrenamtspauschale werden nur bei Vergütungen aus nebenberuflichen Tätigkeiten gewährt. Dies ist in der Regel der Fall, wenn sie im Jahr nicht mehr als ein Drittel der Arbeitszeit einer vergleichbaren Vollzeitstelle in Anspruch nehmen. Dabei können auch solche Helfer nebenberuflich tätig sein, die keinen Hauptberuf ausüben, also z. B. Studenten oder Rentner.

Zudem muss es sich beim Arbeitgeber oder Auftraggeber um eine gemeinnützige Einrichtung oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts (z. B. Bund, Länder, Gemeinden) handeln.

MERKE | Die Übungsleiterpauschale und die Ehrenamtspauschale sind Jahresbeträge, die einmal pro Kalenderjahr gewährt werden. Bei verschiedenen begünstigten Tätigkeiten werden die Einnahmen zusammengerechnet.

Quelle | FinMin Baden-Württemberg, Mitteilung vom 15.2.2021, „Impfzentren: steuerliche Erleichterungen für Freiwillige beschlossen“

27. März 2021
von MargitSchunke
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Drittes Corona-Steuerhilfegesetz in trockenen Tüchern

| Der Bundesrat hat dem Dritten Corona-Steuerhilfegesetz am 5.3.2021 zugestimmt. Das Gesetz enthält einen Kinderbonus, eine Verlängerung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes (7 %) für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen sowie einen erweiterten Verlustrücktrag. |

Kinderbonus: Einmalbetrag in Höhe von 150 EUR

Für den Monat Mai 2021 wurde das Kindergeld um einen Einmalbetrag in Höhe von 150 EUR erhöht. Kinder, für die im Mai 2021 kein Anspruch auf Kindergeld besteht, werden ebenfalls berücksichtigt, sofern für sie in einem anderen Monat des Jahres 2021 ein Kindergeldanspruch besteht.

MERKE | Beim Familienleistungsausgleich wird im Laufe des Jahres in der Regel Kindergeld gezahlt. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer prüft das Finanzamt dann automatisch, ob ein Kinderfreibetrag und zusätzlich ein Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes abzuziehen sind oder ob es beim Kindergeld und dem ausgezahlten Kinderbonus verbleibt.

Erweiterter Verlustrücktrag

Beim steuerlichen Verlustrücktrag wurden die Höchstbeträge für Verluste der Veranlagungszeiträume 2020 und 2021 erhöht und zwar von 5 Mio. EUR auf 10 Mio. EUR bei der Einzelveranlagung und von 10 Mio. EUR auf 20 Mio. EUR bei der Zusammenveranlagung.

Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen

Die Abgabe von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle unterliegt grundsätzlich dem regulären Umsatzsteuersatz von 19 %. Für nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.7.2021 erbrachte Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen (Getränke sind ausgenommen) erfolgte bereits durch das (Erste) Corona-Steuerhilfegesetz eine Reduzierung auf den ermäßigten Steuersatz (7 %).

Um die entsprechenden Betriebe auch über den 30.6.2021 hinaus zu entlasten, wurde die Regelung nun bis zum 31.12.2022 verlängert.

Quelle | Drittes Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Coronakrise (Drittes Corona-Steuerhilfegesetz), BR-Drs. 188/21 (B) vom 5.3.2021

2. Februar 2021
von MargitSchunke
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Jahressteuergesetz 2020 bringt viele Neuerungen für die Einkommensteuer

| Auch wenn die gesetzgeberischen Maßnahmen in 2020 schwerpunktmäßig auf die Bewältigung der Coronapandemie abzielten, sind daneben weitere Gesetze mit steuerlicher Breitenwirkung umgesetzt worden. Im Fokus stand dabei das Jahressteuergesetz (JStG) 2020 (Zustimmung des Bundesrats am 18.12.2020), das vor allem bei der Umsatzsteuer, Erbschaft-/Schenkungsteuer und den Ertragsteuern Änderungen enthält. Wichtige Neuerungen bei der Einkommensteuer werden vorgestellt. |

Kurzarbeitergeld

Die durch das (Erste) Corona-Steuerhilfegesetz (BGBl I 2020, 1385) eingeführte begrenzte und befristete Steuerbefreiung der Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld und zum Saison-Kurzarbeitergeld wurde um ein Jahr verlängert. Die Steuerfreiheit gilt damit für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 29.2.2020 beginnen und vor dem 1.1.2022 enden.

Corona-Beihilfen nach § 3 Nr. 11a EStG

Nach § 3 Nr. 11a Einkommensteuergesetz (EStG) sind aufgrund der Corona-Krise an Arbeitnehmer gezahlte Beihilfen und Unterstützungen bis zu 1.500 EUR steuerfrei. Diese Steuerbefreiung war ursprünglich für die Zeit vom 1.3. bis zum 31.12.2020 vorgesehen. Durch das JStG 2020 wurde der Zeitraum nun bis zum 30.6.2021 verlängert.

MERKE | Der Steuerfreibetrag von maximal 1.500 EUR bleibt unverändert. Das bedeutet: Die Fristverlängerung führt nicht dazu, dass im ersten Halbjahr 2021 nochmals 1.500 EUR steuerfrei zusätzlich zu einem nach § 3 Nr. 11a EStG steuerfrei gewährten Betrag von 1.500 EUR in 2020 ausgezahlt werden können.

Gehaltsextras

Steuerfreie oder pauschalversteuerte Gehaltsextras müssen in vielen Fällen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden. In 2019 hatte der Bundesfinanzhof (1.8.2019, Az. VI R 32/18, Az. VI R 21/17, Az. VI R 40/17) dieses Kriterium zugunsten von Arbeitgebern und -nehmern neu definiert. So sollte z. B. ein arbeitsvertraglich vereinbarter Lohnformenwechsel nicht schädlich sein.

Nun wurde dieser Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs mit § 8 Abs. 4 EStG der Boden entzogen und zwar wie folgt: Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung werden nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn

  • 1. die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  • 2. der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
  • 3. die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
  • 4. bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.

Der Satz 2 des § 8 Abs. 4 EStG stellt klar, dass zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers nicht nur einzelvertraglich, sondern auch durch Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder Besoldungsgesetz festgelegt werden können.

Weiterbildungsleistungen des Arbeitgebers

Durch eine Änderung des § 3 Nr. 19 EStG wurde klargestellt, dass auch Beratungsleistungen des Arbeitgebers (oder auf seine Veranlassung von einem Dritten) zur beruflichen Neuorientierung (Outplacement-Beratung, Newplacement-Beratung) für ausscheidende Arbeitnehmer steuerfrei sind.

Homeoffice

Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben oder als Werbungskosten abziehbar. Ausnahmen sind:

  • Ein Abzug bis zu 1.250 EUR ist möglich, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.
  • Ein unbeschränkter Abzug ist zulässig, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen bildet.

Voraussetzung ist zudem, dass es sich bei dem häuslichen Arbeitszimmer um einen Raum handelt, den der Steuerpflichtige (fast) ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke nutzt.

Während der Coronapandemie müssen viele Steuerpflichtige ihrer Tätigkeit an einem Arbeitsplatz in ihrer Wohnung nachgehen. Oft liegen dabei die Voraussetzungen für ein häusliches Arbeitszimmer aber nicht vor. Um diesen Steuerpflichtigen einen Abzug zu ermöglichen, wurde für 2020 und 2021 eine Pauschale für das Homeoffice eingeführt. Das bedeutet: Hat der Steuerpflichtige kein häusliches Arbeitszimmer oder verzichtet er auf einen Abzug der Aufwendungen, kann er 5 EUR für jeden Kalendertag geltend machen, an dem er seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit ausschließlich in der häuslichen Wohnung ausübt und keine außerhalb der Wohnung belegene Betätigungsstätte aufsucht.

Beachten Sie | Maximal sind 600 EUR im Wirtschafts- oder Kalenderjahr abzugsfähig.

Verbilligte Vermietung einer Wohnung

Bei einer verbilligten Vermietung gilt die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken bis zum Veranlagungszeitraum 2020 bereits als vollentgeltlich, wenn die Miete mindestens 66 % des ortsüblichen Niveaus beträgt. Dann ist der volle Werbungskostenabzug eröffnet. Liegt die Miete darunter, sind die Kosten aufzuteilen.

Durch das JStG 2020 wurde die Grenze in § 21 Abs. 2 S. 1 EStG mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2021 von 66 % auf 50 % herabgesetzt. Das bedeutet: Beträgt das Entgelt 50 % und mehr, jedoch weniger als 66 % der ortsüblichen Miete, ist eine Totalüberschussprognoseprüfung vorzunehmen. Fällt diese positiv aus, ist Einkunftserzielungsabsicht zu unterstellen und der volle Werbungskostenabzug ist möglich. Anderenfalls ist von einer Einkunftserzielungsabsicht nur für den entgeltlich vermieteten Teil auszugehen und die Kosten sind aufzuteilen.

Investitionsabzugsbetrag (IAB)

Für die künftige (Investitionszeitraum von drei Jahren) Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (beispielsweise Maschinen) kann nach § 7g EStG ein IAB von bis zu 40 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd geltend gemacht werden. Durch den Steuerstundungseffekt soll die Liquidität kleinerer und mittlerer Betriebe verbessert werden.

Für IAB, die in nach dem 31.12.2019 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen werden, erfolgten folgende Verbesserungen:

  • Die Höhe wurde von 40 % auf 50 % angehoben.
  • Die Gewinngrenze beträgt für alle Einkunftsarten 200.000 EUR.
  • Auch vermietete Wirtschaftsgüter sind begünstigt und zwar unabhängig von der Dauer der jeweiligen Vermietung. Somit sind auch Vermietungen für mehr als drei Monate unschädlich.

Es gibt aber auch zwei einschränkende Punkte, die bei IAB zu beachten sind, die in nach dem 31.12.2020 endenden Wirtschaftsjahren geltend gemacht werden:

  • Das JStG 2020 verhindert die Verwendung von IAB für Investitionen, die zum Zeitpunkt der Geltendmachung bereits angeschafft oder hergestellt wurden. Die Regelung betrifft aber ausschließlich nachträglich beantragte IAB, die nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der erstmaligen Steuerfestsetzung in Anspruch genommen wurden.
  • Nach Meinung des Bundesfinanzhofs (15.11.2017, Az. VI R 44/16) kann ein im Gesamthandsbereich einer Personengesellschaft beanspruchter IAB für Investitionen eines Gesellschafters im Sonderbetriebsvermögen verwendet werden. Diese „Gestaltung“ wurde ausgehebelt: Die Hinzurechnung von IAB ist nur in dem Vermögensbereich zulässig, in dem der Abzug erfolgt ist.

Weitere Änderungen in Kürze

Erhöhung des Übungsleiterfreibetrags (von 2.400 EUR auf 3.000 EUR) und des Ehrenamtsfreibetrags (von 720 EUR auf 840 EUR) ab 2021.

Anhebung der Freigrenze für Sachbezüge (von 44 EUR auf 50 EUR) ab 2022.

Die Anhebung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende auf 4.008 EUR sollte ursprünglich nur für 2020 und 2021 gelten. Diese Befristung wurde nun aufgehoben.

Verrechenbare Verluste bei Termingeschäften: Anhebung der Grenze von 10.000 EUR auf 20.000 EUR.

Quelle | Jahressteuergesetz 2020, BGBl I 2020, S. 3096